Welches Geschäftsmodell passt zu meiner IT?
Ein Geschäftsmodell ist kein Baukasten, aus dem man sich beliebig bedienen kann – aber auch kein Korsett, das nur eine Form erlaubt. Vielmehr ist es ein Spiegel der strategischen Rolle, die eine IT-Abteilung im Unternehmen einnehmen soll. Dabei gibt es keine „beste“ Lösung. Es gibt nur passende Modelle – passend zur Organisation, zur Unternehmenskultur, zur Strategie, zur Historie und zu den Menschen. Dementsprechend möchten wir uns in diesem Kapitel mit der Frage beschäftigen, wie ich für meine IT das passende Geschäftsmodell herleiten kann. Wir beginnen dazu mit ein paar grundsätzlichen Fragestellungen und Gedankengängen und stellen dann abschließend mit dem Business Model Canvas ein Tool vor, das bei der Entwicklung des Geschäftsmodell für eine Organisation auch auf die IT übertragen werden kann.
Von der Reflexion zur Positionierung
Den Anfang macht immer die Bestandaufnahme, hier also die Reflexion über den Charakter der IT-Abteilung. Dabei helfen diese Leitfragen:
- Was ist unsere Hauptaufgabe? Bereitstellung von Infrastruktur? Beratung? Innovation?
- Wie viel machen wir selbst – und was kaufen wir ein? Was sind unsere Kernkompetenzen?
- Wer sind unsere Kunden – und wie nah sind wir an deren Bedarfen dran?
- Wie messen wir unseren Erfolg? Über Verfügbarkeit? Projektfortschritte? Geschäftsnutzen?
- Wie gehen wir mit begrenzten Ressourcen um? Was priorisieren wir?
Diese Überlegungen führen oft zu einem besseren Verständnis der eigenen Positionierung. Sie zeigen Spannungsfelder, Rollen, Erwartungen – und manchmal auch Widersprüche auf. Einige dieser Aspekte möchten wir gedanklich noch etwas weiter ausführen und Denkanstöße sowohl für die Reflexion der eigenen aktuellen Situation als auch für die Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells geben.
Das Selbstverständnis muss konsistent sein – intern wie extern
Ein häufiges Problem: Die IT versteht sich selbst als strategischer Partner, wird aber von den Fachbereichen nur als Dienstleister wahrgenommen. Oder sie will als Enabler auftreten, arbeitet aber mit Governance-Strukturen, die alles lähmen. Geschäftsmodell, Kultur und Verhalten müssen zusammenpassen. Daher sollte man sich an dieser Stelle zum Beispiel auch die folgenden Fragen zur Reflexion stellen:
- Wie sprechen wir intern über unsere Rolle?
- Wie erleben uns unsere internen Kunden?
- Stimmen unsere Strukturen und Prozesse mit unserem Selbstbild überein?
Zwischen Pflicht und Perspektive
Ein Geschäftsmodell schafft den Rahmen dafür, mit welchen Themen sich die IT aktiv und bewusst beschäftigen kann – und muss. Und wir reden dabei nicht nur über Patch-Management, Netzwerkinfrastruktur oder Servicekatalog. Ebenso drängen sich Themen auf, die nicht vernachlässigt werden können, weil sie zum Beispiel gesetzlich oder regulatorisch vorgeschrieben sind:
- Datenschutz (DSGVO) – Wer personenbezogene Daten verarbeitet, muss Verantwortung übernehmen – technisch, organisatorisch, kulturell.
- IT-Sicherheit und KRITIS – Der Schutz kritischer Infrastrukturen ist längst nicht mehr nur eine technische Aufgabe, sondern eine gesamtstrategische.
- KI-Verordnung (AI Act) – Mit dem zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz entstehen neue Anforderungen an Transparenz, Risikomanagement und Governance.
Dagegen sind andere Themen zwar nicht verpflichtend, aber sehr wohl überlebenswichtig – sie entscheiden darüber, ob eine IT-Abteilung nur reagiert oder mitgestaltet:
- IT-Strategie – Nicht als Dokument, sondern als gelebter Kompass, der Entscheidungen leitet.
- Künstliche Intelligenz und Automatisierung – Nicht nur als Tool, sondern als Treiber für Effizienz, neue Betriebsmodelle und Innovation.
- Architektur und Plattformdenken – Um nicht im Wildwuchs der Einzellösungen zu ersticken.
Diese Themen – ob regulatorisch erzwungen oder strategisch erforderlich – lassen sich neben den klassischen operativen Themen nicht isoliert betrachten. Sie gewinnen erst dann an Klarheit und Priorität, wenn die IT weiß, welche Rolle sie im Unternehmen spielt und welchen Beitrag sie leisten will. Ein klar definiertes Geschäftsmodell hilft dabei, genau das zu erkennen: Was ist unsere Verantwortung? Wo ist unser Wirkungsfeld? Und welche Themen gehören zu unserem Selbstverständnis – und welche nicht?
Gerade in einer Zeit, in der IT-Abteilungen immer mehr leisten sollen, ist diese Fokussierung entscheidend, um sich eben nicht im Nebel von Anforderungen, Projekten und Technologien zu verlieren.
Nicht jeder muss alles machen
Bei dieser Masse an verschiedenen und teils auch sehr unterschiedlich gearteten Themen kann es hilfreich sein, verschiedene (IT-) Einheiten mit unterschiedlichen Modellen zuzulassen – aber sie klar zu differenzieren, zum Beispiel:
- Eine zentrale IT als Orchestrator und Service Owner
- Eine produktnahe IT in den Fachbereichen als Produktteam und Enabler
- Eine Governance-Einheit für übergreifende Architektur und Sicherheit
Entscheidend ist nicht Einheitlichkeit, sondern Komplementarität – und ein klares Verständnis der Schnittstellen.
Make or Buy – Was machen wir selbst, was kaufen wir ein?
Ein zentrales Element bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells (nicht nur für die IT) ist die bewusste Entscheidung darüber, welche Leistungen überhaupt (noch) intern erbracht und welche extern bezogen werden sollen. Diese Entscheidung prägt nicht nur die operative Ausgestaltung der IT, sondern auch ihre strategische Ausrichtung.
Folgende Fragen helfen bei der Klärung:
- Was gehört zu unserem Kernauftrag – was ist Teil unseres Wertversprechens?
- Wo haben wir eigene Stärken und Kompetenzen – und wo wäre der Zukauf effizienter oder qualitativ besser?
- Welche Leistungen lassen sich standardisieren und extern einkaufen, ohne strategische Kontrolle zu verlieren?
- Wollen wir langfristig Know-how aufbauen oder sind wir mit einem flexiblen, marktgetriebenen Modell besser aufgestellt?
- Wie wirkt sich die Entscheidung auf unsere Kostenstruktur, unsere Risiken und unsere Handlungsfähigkeit aus?
Die Antworten auf diese Fragen sind nicht statisch – sie hängen vom Reifegrad der IT, vom Geschäftsmodell des Unternehmens und vom Marktumfeld ab. Umso wichtiger ist es, diesen Aspekt nicht nebenbei im Tagesgeschäft zu entscheiden, sondern bewusst im Rahmen der Geschäftsmodellentwicklung zu reflektieren.
Das Geschäftsmodell prägt die Skills – und umgekehrt
Das Geschäftsmodell der IT ist nicht nur eine strategische Entscheidung – es ist auch ein Statement darüber, welche Menschen gebraucht werden. Denn wer seine Rolle in der Organisation verändert, verändert zwangsläufig auch die Anforderungen an Kompetenzen, Profile und Karrieren. Beispiele:
- Eine IT mit starkem Technik-Fokus und Eigenbetrieb braucht tiefes Fachwissen: Systemingenieur:innen, Netzwerkspezialist:innen, Rechenzentrumsbetreiber – Expert:innen mit hohem Spezialisierungsgrad.
- Eine IT, die Dienstleistungen einkauft und orchestriert, benötigt Generalist:innen: Menschen, die technische Grundlagen verstehen, aber auch verhandeln, koordinieren, priorisieren und wirtschaftlich denken können.
- Eine produktorientierte IT, die eng mit dem Business arbeitet, braucht cross-funktionale Teams mit Skills aus Entwicklung, UX, Data Science – aber auch Domänenwissen und Agile-Kultur.
Die Konsequenz: Geschäftsmodell und Personalstrategie müssen Hand in Hand gehen. Weiterbildung, Skill-Management und Talententwicklung sind keine Randthemen, sondern strategische Hebel. Wer hier nicht mitdenkt, riskiert ein gut gemeintes Modell – das in der Praxis scheitert, weil die richtigen Menschen dafür fehlen. Wer sein Geschäftsmodell ernst nimmt, muss sich also auch fragen:
- Welche Skills haben wir – und welche fehlen uns?
- Welche Weiterbildungswege bieten wir?
- Wie verändern sich unsere Karrierepfade, wenn wir unser Modell verändern?
Und auch das gehört zur Realität: Manche Mitarbeitende werden sich in einem neuen Modell nicht (mehr) wiederfinden. Ein Geschäftsmodell ist also auch ein Personalentwicklungskonzept in Verkleidung – und sollte entsprechend verantwortungsvoll behandelt werden.
Ein passendes Geschäftsmodell zu finden heißt also: sich entscheiden – bewusst, reflektiert und auf Basis des eigenen Kontexts. Keine Blaupause von außen wird alle Antworten liefern. Aber wer die Fragen stellt, hat bereits den wichtigsten Schritt getan.
Evolution statt Revolution
Ein Geschäftsmodell zu gestalten bedeutet nicht, die IT über Nacht umzubauen. Oft ist es ein Prozess der bewussten Weiterentwicklung:
- Vielleicht startet man mit einem stabilen Service-Provider-Modell
- und ergänzt es schrittweise um agile Produktteams
- oder entwickelt aus einer Kostenstelle ein internes Profit-Center
Wichtig ist: Die Veränderungen müssen strategisch gesteuert werden – mit klarer Kommunikation, realistischen Erwartungen und Rückhalt im Top-Management.
Die IT als Geschäftsmodell mit dem Business Model Canvas denken
Die Frage nach dem Geschäftsmodell der IT-Abteilung ist nicht nur eine Frage nach Zuständigkeiten oder Organisationseinheiten – sie ist ein Instrument zur Selbstvergewisserung: Was leisten wir? Für wen? Mit welchen Mitteln? Und wozu überhaupt? Einige dieser Fragen wurden im vorangehenden Kapitel bereits gestellt. Eine Möglichkeit, diesen Fragen systematisch nachzugehen, ist der Business Model Canvas (vgl. Business Model Canvas – Download the Official Template), ein Modell aus der Unternehmenswelt, das erstaunlich gut auch auf interne IT-Organisationen übertragbar ist.
Der Canvas ist dabei horizontal in zwei Hälften geteilt:
- Links: die interne Perspektive, also alles, was mit Ressourcen, Prozessen und Infrastruktur zu tun hat.
- Rechts: die externe Perspektive, sprich Kundennutzen, Beziehungen, Kanäle und Zielgruppen.
Diese Trennung hilft, den Spannungsbogen zwischen innen und außen sichtbar zu machen – also zwischen dem, was eine Organisation leisten kann, und dem, was der Markt oder die internen Kunden brauchen.
Zudem gibt es eine vertikale Logik:
- Oben stehen die konzeptionellen Elemente: Wer ist unser Kunde? Was bieten wir an? Wie erreichen wir ihn?
- Unten stehen die operativen Grundlagen: Welche Ressourcen, Aktivitäten und Partner brauchen wir dafür – und was kostet das alles?
In der Mitte des Canvas befindet sich das Wertangebot (Value Proposition) – das Herzstück des Modells. Es verbindet intern und extern, oben und unten. Alles dreht sich darum, wie und warum die IT (bzw. das Unternehmen) einen relevanten Nutzen stiftet.
Diese visuelle Anordnung unterstützt nicht nur die Verständlichkeit, sondern auch den Denkprozess: Zusammenhänge werden sichtbar, Lücken fallen schneller auf, und es fällt leichter, strategisch zu argumentieren statt sich in Details zu verlieren. In dieser Strukturellen Anordnung besteht der Canvas aus neun Bausteinen. Sie beschreiben, wie ein Unternehmen – oder in unserem Fall: eine IT-Abteilung – Wert schafft, vermittelt und erhält. Dabei ist jeder Baustein eine Einladung zur Reflexion:
- Kundensegmente: Wer sind die Kunden der IT? Das können Fachabteilungen sein, Projektteams, Tochtergesellschaften – oder auch andere IT-Bereiche mit eigenen Schwerpunkten. Nicht jede IT-Leistung ist für alle gedacht.
- Wertangebote: Was bietet die IT an? Reine Infrastruktur? Beratung? Innovation? IT-Abteilungen müssen ihren spezifischen Beitrag klar benennen können – und wissen, worin ihr Mehrwert liegt. Das „Warum wir“ muss greifbar sein.
- Kanäle: Über welche Wege erreicht die IT ihre Kunden – und umgekehrt? Vom Self-Service-Portal bis zum persönlichen Ansprechpartner: Die Wahl der Kanäle beeinflusst Wahrnehmung und Effizienz gleichermaßen.
- Kundenbeziehungen: Wie gestaltet die IT die Zusammenarbeit mit ihren Kunden? Reaktiv oder proaktiv? Transaktional oder partnerschaftlich? Wer als Servicepartner wahrgenommen werden will, muss auch entsprechend agieren.
- Einnahmequellen: Wie wird die IT finanziert – und wie zeigt sie ihren Wert? Auch wenn keine echten Umsätze fließen: Die Frage, wie Leistungen verrechnet oder sichtbar gemacht werden, ist entscheidend für Wertschätzung und Steuerbarkeit.
- Schlüsselressourcen: Welche Ressourcen braucht die IT, um zu liefern? Technik, Tools, Prozesse – und vor allem Menschen mit passenden Kompetenzen. Je nach Geschäftsmodell sind technisches Know-how, Koordination oder Verhandlungsgeschick unterschiedlich stark gefragt.
- Schlüsselaktivitäten: Was tut die IT konkret? Der tägliche Betrieb, die Umsetzung von Projekten, Beratung, Beschaffung oder auch Innovationsarbeit – je nach Ausrichtung der IT sind manche Aktivitäten zentral, andere nachgeordnet.
- Schlüsselpartnerschaften: Mit wem arbeitet die IT zusammen? Dienstleister, Plattformanbieter, Einkauf, Datenschutz – oder andere IT-Bereiche. Die Frage ist: Was machen wir selbst, was lassen wir machen? Und warum?
Kostenstruktur: Was kostet unser Modell – und wodurch entstehen die Kosten? Ist die IT eher kosten- oder wertgetrieben? Und wie flexibel ist sie darin, sich veränderten Anforderungen anzupassen?
Der Business Model Canvas zwingt die IT, sich als Gestalter und nicht nur als Erfüller zu begreifen. Er hilft, strategische Klarheit zu gewinnen und Zielbilder zu entwickeln. Und er ist anschlussfähig – zum Beispiel, wenn andere Unternehmensbereiche mit denselben Begriffen arbeiten.
Die Anwendung des Canvas ist kein Selbstzweck. Aber sie macht sichtbar, was oft unsichtbar bleibt: die unternehmerische Logik hinter der IT.
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