Die unbequeme Frage nach dem “Warum wir?”
Warum sollten interne Kunden IT-Services bei der eigenen IT-Abteilung beziehen – und nicht einfach direkt dort, wo es am schnellsten und bequemsten geht? Diese Frage drängt sich heute fast zwangsläufig auf. Ein neues Postfach bei Microsoft? Ist mit wenigen Klicks buchbar. Ein Videokonferenz-Tool wie Zoom? Kann man in Minuten aufsetzen und mit Kreditkarte bezahlen. Eine Projektmanagementlösung wie Trello? Kostenlos im Netz verfügbar. Selbst ein neuer Laptop ist mit etwas technischer Erfahrung über Amazon oder andere Anbieter oft schneller beschafft als über interne Bestellprozesse.
Solche Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen – und genau das macht die Frage so unangenehm: Was genau ist eigentlich der Mehrwert der internen IT-Abteilung? Worin liegt ihr Daseinszweck, wenn die Nutzer vermeintlich alles selbst regeln können – effizienter, schneller, vielleicht sogar günstiger?Diese Fragen mögen im ersten Moment trivial erscheinen, vielleicht sogar unangebracht. Aber sie treffen einen wunden Punkt. In Zeiten von Cloud-Services, Self-Service-Portalen und „Everything-as-a-Service“ lässt sich die Daseinsberechtigung klassischer IT-Abteilungen zunehmend in Frage stellen. Was früher selbstverständlich war – dass die interne IT die technische Versorgung sicherstellt – ist heute nur noch eine von vielen Optionen.
Dabei geht es nicht um Schuld oder Inkompetenz. Viele IT-Abteilungen arbeiten effizient, betreiben solide Infrastruktur, stellen Tools bereit und sorgen für Sicherheit. Aber sie tun dies häufig in einem impliziten Modus, ohne explizit zu klären, warum genau sie diese Aufgaben übernehmen – und für wen eigentlich. Es fehlt an einem klar definierten Geschäftsmodell: an einem bewussten Selbstverständnis darüber, welche Leistungen die IT anbietet, welchen Wertbeitrag sie liefert und wie sie im Gesamtkontext des Unternehmens positioniert ist.
Gerade in größeren Organisationen, in denen die IT nicht nur Technik, sondern auch Strukturen, Abläufe und Kultur prägt, ist diese Frage zentral: Worin besteht unsere Rolle? Sind wir ein Dienstleister für die Fachbereiche, ein Innovationstreiber, ein Regulator – oder alles auf einmal? Und falls ja: Wie lässt sich das sinnvoll strukturieren? – Wer auf diese Fragen keine Antworten hat, läuft Gefahr, in einer Art „technischer Selbstverständlichkeit“ zu verharren – bis die Organisation beginnt, sich selbst zu helfen. Dann bestellen die Fachbereiche ihre SaaS-Lösungen direkt, treiben eigene Dateninitiativen voran oder beauftragen externe Entwickler, weil es schneller geht. Die IT wird umgangen – nicht, weil sie schlecht ist, sondern weil sie keine klare Position mehr hat.
Ein klar formuliertes Geschäftsmodell verschafft der IT Sichtbarkeit, Einfluss und strategische Anschlussfähigkeit. Es macht Leistungen transparent, schafft Erwartungen auf beiden Seiten und ermöglicht Weiterentwicklung – sei es Richtung stärkerer Serviceorientierung, größerer Innovationskraft oder klügerer Integration mit anderen Einheiten.
Die entscheidende Frage lautet also nicht: Braucht die IT ein Geschäftsmodell? Sondern: Was passiert, wenn sie keins hat?
Mit genau diesen Fragen beschäftigen wir uns im weiteren Verlauf des Beitrags: Im folgenden Abschnitt stellen wir die Frage, warum der Begriff „Geschäftsmodell“ auch für interne IT-Abteilungen relevant ist, indem wir zentrale Fragen aus der klassischen Geschäftsmodellentwicklung – wie „Was bieten wir an?“ oder „Für wen?“ – auf die IT übertragen. Es zeigt, dass ein klares Geschäftsmodell die Grundlage für strategische Steuerung, Kommunikation und Positionierung der IT im Unternehmen bildet. Darauf aufbauend stellen wir vier typische Geschäftsmodelle vor, die in der Praxis von IT-Abteilungen beobachtbar sind. Wir beschreiben grob, welche Stärken und Herausforderungen mit jedem dieser Modelle verbunden sind – und wie sie sich voneinander abgrenzen. Abschließend gehen wir der Frage nach, „Welches Geschäftsmodell passt zu meiner IT?“. Hiermit bauen wir eine Brücke zwischen Theorie und Praxis. Wir geben dabei Impulse, wie IT-Verantwortliche die eigene Position analysieren und bewusst weiterentwickeln können. Ein zentrales Werkzeug ist dabei der Business Model Canvas, den wir an die Anforderungen einer internen IT anpassen werden.
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