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Wandel gestalten – zwischen Nobelpreis und Unternehmensrealität

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Die Entscheidung, den diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis an Joel Mokyr [1], Philippe Aghion [2] und Peter Howitt [3] zu vergeben, ist für mich mehr als eine wissenschaftliche Würdigung. Sie ist ein Signal – für Offenheit, für Mut zur Veränderung und für die Einsicht, dass Fortschritt nicht aus Bewahrung entsteht [4].

Warum gerade diese Forscher ausgezeichnet wurden

Die drei Preisträger stehen für ein gemeinsames Verständnis: Wirtschaft wächst, wenn Ideen Raum bekommen. Joel Mokyr hat gezeigt, dass technischer Fortschritt in Kulturen entsteht, die Wissen teilen und Neues zulassen [1]. Philippe Aghion und Peter Howitt lieferten mit ihrer Schumpeterian Growth Theory [5] die theoretische Basis dafür – sie erklären, wie Innovation bestehende Strukturen verdrängt und daraus Wohlstand entsteht [2, 3]. Dieses Prinzip der „creative destruction“ (schöpferischen Zerstörung) beschreibt den Kern jedes Fortschritts: Neues entsteht nur, wenn Altes weicht – ein Prozess, der zugleich Wachstum ermöglicht und Widerstände hervorruft.

Das Nobelkomitee setzt damit ein klares Zeichen: Wandel ist kein Risiko, sondern der Motor des Fortschritts. Wachstum braucht Offenheit, Experimentierfreude und den Mut, Bewährtes zu hinterfragen.

Vom Nobelpreis zur Unternehmensrealität

Was Mokyr, Aghion und Howitt als “Creative Destruction” beschreiben, ist für die Wirtschaftswelt mehr als ein theoretisches Konzept – es ist der akute, oft schmerzhafte Unternehmensalltag. Auf dem diesjährigen DSAG-Jahreskongress war deutlich spürbar, wie groß der Druck ist, sich inmitten von Regulierung, Digitalisierung, KI und Fachkräftemangel neu zu erfinden. Die Theorie ist da: Neues entsteht nur, wenn Altes weicht. Die Praxis ist härter: Der Wandel ist längst keine Zukunftsaufgabe mehr, sondern eine turbulente Gegenwart.

Veränderung klingt nach Fortschritt – doch sie hat ihre Schattenseiten. Sie bedroht etablierte Prozesse, kostet Stabilität und erzeugt erhebliche Reibung. Alte, bewährte Strukturen lösen sich auf, während die neuen noch unsicher sind. Genau hier liegt die zentrale Herausforderung der kreativen Zerstörung: Der notwendige Prozess, bei dem Innovation Altes verdrängt, ist schmerzhaft und führt oft zu Lähmung und Widerstand. Die Gefahr ist, dass Unternehmen im Festhalten am Bewährten in die Stagnation verfallen – das exakte Szenario, vor dem die Forschung warnt.

Um diesen notwendigen Schmerz der Zerstörung konstruktiv zu wenden, brauchen wir mehr als Projektpläne. Veränderungsfähigkeit lässt sich nicht in Projekten managen. Sie entsteht aus einer tragfähigen Haltung. Diese muss vor allem von der Unternehmensführung ausgehen – aus einer Kultur, die Lernen über Bewahrung stellt und Fehler als Erkenntnis erlaubt.

Gleichzeitig braucht es die aktive Mitwirkung der innerbetrieblichen Gremien. Sie sind der Schlüssel zur Vertrauensbildung. Nur wenn sie die Notwendigkeit des Wandels anerkennen und aktiv mitgestalten kann der Prozess sozial abgefedert werden. Menschen brauchen Sinn, Beteiligung und Vertrauen, um Altes loszulassen. Nur dann wird Veränderung zu einem gemeinsamen Prozess.

Doch auch das reicht noch nicht. Mokyrs Arbeit hat historisch belegt: Anhaltendes Wachstum ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt.

  • Die Politik muss diese Einsicht nutzen, um die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Ihre Aufgabe ist es, zu schützen, ohne zu bremsen. Sie muss durch kluge Regulierung und massive Investitionen in Bildung und Forschung den Nährboden für Innovation schaffen, darf aber nicht durch Subventionen oder Überregulierung die notwendige Verdrängung des Alten verhindern.
  • Die Gesellschaft selbst muss Offenheit für neue Ideen und Toleranz für die durch Wandel verursachte Unsicherheit beweisen.

Wandel gelingt dort, wo Richtung und Freiheit in Einklang stehen: klar genug, um Orientierung zu geben – offen genug, um Entwicklung zuzulassen.

Der Wirtschaftsnobelpreis erinnert uns daran: Diese Fähigkeit zur Erneuerung ist keine Managementmode, sondern der Kern von Resilienz und Zukunftsfähigkeit – eine Aufgabe für uns alle.

Fazit

Wandel ist keine Option – er ist Realität.
Die Wissenschaft erklärt, warum wir ihn brauchen.
Die Praxis zeigt, wie schwer er fällt.

Zwischen beidem liegt unsere Aufgabe: Veränderung nicht nur zu managen, sondern bewusst zu gestalten.

Denn wer offen bleibt, lernt und gestaltet Zukunft.
Wer verharrt, wird gestaltet.

Das waren meine Gedanken zum Nobelpreis für Wirtschaft in diesem Jahr.

Referenzen

[1] Joel Mokyr – https://www.nobelprize.org/prizes/economic-sciences/2025/mokyr/facts/

[2] Philippe Aghion – https://www.nobelprize.org/prizes/economic-sciences/2025/aghion/facts/

[3] Peter Howitt – https://www.nobelprize.org/prizes/economic-sciences/2025/howitt/facts/

[4] The Sveriges Riksbank Prize in Economic Sciences in Memory of Alfred Nobel 2025 – https://www.nobelprize.org/prizes/economic-sciences/2025/summary/

[5] What Do We Learn From Schumpeterian Growth Theory? https://doi.org/10.1016/B978-0-444-53540-5.00001-X

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