In vielen Organisationen ist IT allgegenwärtig – und gleichzeitig erstaunlich schwer zu greifen. Je nach Situation wird sie als Dienstleister, Enabler oder Innovationsmotor beschrieben. Manchmal auch schlicht als Kostenfaktor.
Mir ist in den letzten Jahren immer deutlicher geworden, dass hinter diesen Zuschreibungen eine selten explizit gestellte Frage steht: Welches Geschäftsmodell verfolgen wir mit unserer IT eigentlich?
Dieser Artikel ist ein Versuch, diese Frage einmal bewusst in den Vordergrund zu stellen – nicht technisch, sondern strukturell. Denn oft entscheidet weniger die eingesetzte Technologie über die Wirkung der IT als die Klarheit über ihre Rolle und Verantwortung.
Die unbequeme Frage nach dem “Warum wir?”
Warum sollten interne Kunden IT-Services bei der eigenen IT-Abteilung beziehen – und nicht einfach direkt dort, wo es am schnellsten und bequemsten geht? Diese Frage drängt sich heute fast zwangsläufig auf. Ein neues Postfach bei Microsoft? Ist mit wenigen Klicks buchbar. Ein Videokonferenz-Tool wie Zoom? Kann man in Minuten aufsetzen und mit Kreditkarte bezahlen. Eine Projektmanagementlösung wie Trello? Kostenlos im Netz verfügbar. Selbst ein neuer Laptop ist mit etwas technischer Erfahrung über Amazon oder andere Anbieter oft schneller beschafft als über interne Bestellprozesse.
Solche Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen – und genau das macht die Frage so unangenehm: Was genau ist eigentlich der Mehrwert der internen IT-Abteilung? Worin liegt ihr Daseinszweck, wenn die Nutzer vermeintlich alles selbst regeln können – effizienter, schneller, vielleicht sogar günstiger?Diese Fragen mögen im ersten Moment trivial erscheinen, vielleicht sogar unangebracht. Aber sie treffen einen wunden Punkt. In Zeiten von Cloud-Services, Self-Service-Portalen und „Everything-as-a-Service“ lässt sich die Daseinsberechtigung klassischer IT-Abteilungen zunehmend in Frage stellen. Was früher selbstverständlich war – dass die interne IT die technische Versorgung sicherstellt – ist heute nur noch eine von vielen Optionen.
Dabei geht es nicht um Schuld oder Inkompetenz. Viele IT-Abteilungen arbeiten effizient, betreiben solide Infrastruktur, stellen Tools bereit und sorgen für Sicherheit. Aber sie tun dies häufig in einem impliziten Modus, ohne explizit zu klären, warum genau sie diese Aufgaben übernehmen – und für wen eigentlich. Es fehlt an einem klar definierten Geschäftsmodell: an einem bewussten Selbstverständnis darüber, welche Leistungen die IT anbietet, welchen Wertbeitrag sie liefert und wie sie im Gesamtkontext des Unternehmens positioniert ist.
Gerade in größeren Organisationen, in denen die IT nicht nur Technik, sondern auch Strukturen, Abläufe und Kultur prägt, ist diese Frage zentral: Worin besteht unsere Rolle? Sind wir ein Dienstleister für die Fachbereiche, ein Innovationstreiber, ein Regulator – oder alles auf einmal? Und falls ja: Wie lässt sich das sinnvoll strukturieren? – Wer auf diese Fragen keine Antworten hat, läuft Gefahr, in einer Art „technischer Selbstverständlichkeit“ zu verharren – bis die Organisation beginnt, sich selbst zu helfen. Dann bestellen die Fachbereiche ihre SaaS-Lösungen direkt, treiben eigene Dateninitiativen voran oder beauftragen externe Entwickler, weil es schneller geht. Die IT wird umgangen – nicht, weil sie schlecht ist, sondern weil sie keine klare Position mehr hat.
Ein klar formuliertes Geschäftsmodell verschafft der IT Sichtbarkeit, Einfluss und strategische Anschlussfähigkeit. Es macht Leistungen transparent, schafft Erwartungen auf beiden Seiten und ermöglicht Weiterentwicklung – sei es Richtung stärkerer Serviceorientierung, größerer Innovationskraft oder klügerer Integration mit anderen Einheiten.
Die entscheidende Frage lautet also nicht: Braucht die IT ein Geschäftsmodell? Sondern: Was passiert, wenn sie keins hat?
Mit genau diesen Fragen beschäftigen wir uns im weiteren Verlauf des Beitrags: Im folgenden Abschnitt stellen wir die Frage, warum der Begriff „Geschäftsmodell“ auch für interne IT-Abteilungen relevant ist, indem wir zentrale Fragen aus der klassischen Geschäftsmodellentwicklung – wie „Was bieten wir an?“ oder „Für wen?“ – auf die IT übertragen. Es zeigt, dass ein klares Geschäftsmodell die Grundlage für strategische Steuerung, Kommunikation und Positionierung der IT im Unternehmen bildet. Darauf aufbauend stellen wir vier typische Geschäftsmodelle vor, die in der Praxis von IT-Abteilungen beobachtbar sind. Wir beschreiben grob, welche Stärken und Herausforderungen mit jedem dieser Modelle verbunden sind – und wie sie sich voneinander abgrenzen. Abschließend gehen wir der Frage nach, „Welches Geschäftsmodell passt zu meiner IT?“. Hiermit bauen wir eine Brücke zwischen Theorie und Praxis. Wir geben dabei Impulse, wie IT-Verantwortliche die eigene Position analysieren und bewusst weiterentwickeln können. Ein zentrales Werkzeug ist dabei der Business Model Canvas, den wir an die Anforderungen einer internen IT anpassen werden.
Ein Geschäftsmodell für die IT? Was soll das sein?
Der Begriff „Geschäftsmodell“ wirkt auf den ersten Blick wie ein Fremdkörper in der Welt der internen IT. Er klingt nach Start-up, nach Businessplan, nach Venture Capital – aber nicht nach Patch-Management, Netzwerkinfrastruktur oder Servicekatalog. Und doch ist genau dieser Begriff zentral, wenn es darum geht, die Rolle und Relevanz der IT-Abteilung im Unternehmen zu bestimmen.
Ein Geschäftsmodell beschreibt im Kern, wie eine Organisation Wert schafft, diesen Wert bereitstellt und schließlich auch abschöpft. Oder einfacher gesagt: Was bieten wir an, für wen tun wir das, wie tun wir es – und woran erkennen wir, ob es funktioniert? Eine detaillierte Definition liefert zum Beispiel das Gabler Wirtschaftslexikon.
In der klassischen Wirtschaftstheorie oder in der Start-up-Welt lassen sich diese Fragen oft klar beantworten: Ein Unternehmen entwickelt ein Produkt für einen bestimmten Markt, verkauft es über definierte Kanäle und misst Erfolg in Umsatz oder Marktanteilen. Doch wie lässt sich dieses Modell nun auf eine interne IT-Abteilung übertragen – also auf eine Organisationseinheit, die in der Regel keine direkten Einnahmen erzielt, sondern als Kostenstelle geführt wird? Die Antwort liegt in der Übertragung der Kernfragen:
| Frage | Übertragung auf interne IT |
| Was bieten wir an? | Welche Services stellen wir bereit? (z. B. Arbeitsplätze, Netz, Anwendungen, Beratung) |
| Für wen? | Wer sind unsere internen Kunden? (z. B. Fachbereiche, Management, andere ITs) |
| Wie tun wir das? | Eigenleistung, Einkauf, Orchestrierung, Standardisierung? |
| Wie erzeugen wir Wert? | Beitrag zu Effizienz, Qualität, Innovationsfähigkeit, Compliance |
| Wie messen wir Erfolg? | Verfügbarkeit, Zufriedenheit, Kosten, strategischer Beitrag |
Diese Übertragung zeigt schließlich: Auch eine interne IT kann (und sollte) ein Geschäftsmodell haben. Denn nur so lässt sich die eigene Rolle im Unternehmen strategisch definieren, kommunizieren und steuern. Wer nicht klar sagen kann, welchen Wert er liefert und für wen, wird langfristig nicht als relevanter Akteur wahrgenommen – sondern als technische Infrastruktur, über die man irgendwann hinwegplant.
Ein Geschäftsmodell ist deshalb mehr als ein organisatorisches Detail. Es ist Ausdruck von Selbstverständnis und Positionierung: Sind wir Dienstleister, Partner, Enabler oder Innovator? Und: Was heißt das konkret für unser Handeln, unsere Entscheidungen, unsere Kultur?
Typische Geschäftsmodelle von IT-Abteilungen
IT ist nicht gleich IT. Auch wenn alle Abteilungen grob „Technik fürs Unternehmen“ bereitstellen, unterscheiden sie sich fundamental darin, wie sie arbeiten, was sie leisten und wie sie sich gegenüber dem Rest der Organisation verstehen. Man kann diese Unterschiede als verschiedene Geschäftsmodelle betrachten – jedes mit eigenen Stärken, Herausforderungen und Risiken.
Hier sind vier typische Modelle, die sich in der Praxis (oft auch in Mischformen) beobachten lassen:
- Der interne Service-Provider (klassisches Cost-Center): „Wir sorgen dafür, dass alles läuft.“
- Der Sourcing Broker / Orchestrator: „Wir kennen den Markt und besorgen, was gebraucht wird.“
- Die produktorientierte IT / Value Stream IT: „Wir bauen und betreiben digitale Produkte für unser Geschäft“
- Die IT als Profit-Center / Shared Services Organisation: „Wir sind ein Business im Business.“
Nachfolgend gehen wir auf die verschiedenen Modelle noch etwas näher ein.
Der interne Service Provider (klassisches Cost-Center)
Das Modell des internen Service Providers ist in vielen Unternehmen weit verbreitet. Die IT-Abteilung übernimmt hierbei die Verantwortung für grundlegende und zentrale IT-Services wie Arbeitsplatzsysteme, Netzwerke, Kommunikationslösungen, Rechenzentrumsbetrieb und Benutzer-Support. Ziel ist es, diese Leistungen effizient, stabil und möglichst kostengünstig bereitzustellen. Die IT versteht sich in diesem Modell als verlässlicher Dienstleister für den internen Kunden. Der Fokus liegt auf Standardisierung, Skalierbarkeit und operativer Exzellenz. Der größte Vorteil ist die klare Kostenstruktur und die Möglichkeit, Services zentral zu steuern. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die IT zu stark auf Infrastruktur reduziert wird und der strategische Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens aus dem Blick gerät.
Der Sourcing Broker / Orchestrator
In diesem Modell übernimmt die IT-Abteilung vor allem koordinierende und steuernde Aufgaben. Sie analysiert die Bedarfe der Fachbereiche, sucht passende externe Anbieter, schließt Verträge und überwacht die Servicequalität. Eigene technische Ressourcen werden nur minimal vorgehalten – stattdessen liegt der Schwerpunkt auf der Auswahl, Integration und Steuerung externer Dienstleister. Die IT wird zum Orchestrator einer vielfältigen, oft hybriden IT-Landschaft. Dieses Modell bietet eine hohe Flexibilität und ermöglicht es, gezielt Experten-Know-how von außen zu nutzen. Besonders geeignet ist es für Organisationen, die schnell auf Marktveränderungen reagieren müssen oder in denen nicht alle Kompetenzen intern aufgebaut werden können oder sollen. Der Nachteil: Die eigene technische Kompetenz kann mit der Zeit erodieren, was eine gewisse Abhängigkeit von Partnern zur Folge hat.
Die produktorientierte IT / Value Stream IT
Die produktorientierte IT organisiert sich entlang der Wertströme des Unternehmens. Interdisziplinäre Teams aus IT und Fachbereichen übernehmen dabei gemeinsam Verantwortung für digitale Produkte und Services – vom ersten Konzept über die Entwicklung bis zum Betrieb. Diese Teams arbeiten häufig agil und inkrementell, orientieren sich an Nutzerbedürfnissen und fokussieren sich auf die kontinuierliche Verbesserung von Funktionalität und Benutzererlebnis. Die IT wird so zu einem integralen Bestandteil der Wertschöpfungskette und agiert als Innovationstreiber. Die Nähe zum Geschäft und die kurze Time-to-Market sind zentrale Vorteile. Gleichzeitig erfordert dieses Modell einen hohen Reifegrad in der Zusammenarbeit, klare Governance-Strukturen und eine Kultur, die eigenverantwortliches Arbeiten fördert. Besonders erfolgreich ist es in Organisationen, die ihre digitale Transformation aktiv gestalten wollen.
Die IT als Profit-Center / Shared Services Organisation
Hier tritt die IT als interner Anbieter auf, der seine Leistungen gegen Entgelt an andere Einheiten im Unternehmen verkauft. Grundlage sind definierte Leistungskataloge, Preise und Service Level Agreements (SLAs). Die IT wird damit zu einer unternehmerisch handelnden Einheit, die sich am Markt orientieren muss – auch wenn dieser Markt zunächst intern ist. Die Idee dahinter: Nur was einen Preis hat, wird auch ernst genommen. Dieses Modell erhöht die Transparenz über Kosten und Leistungen, fördert Effizienz und schärft das Leistungsversprechen der IT. Es eignet sich besonders für große, diversifizierte Organisationen mit vielen eigenständigen Einheiten. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass der Verwaltungsaufwand für Abrechnung und Steuerung steigt und die Konzentration auf wirtschaftliche Kennzahlen den Blick für strategische Notwendigkeiten verstellen kann.
Zusammenfassung und Fazit
Die vier Modelle sind nicht strikt voneinander getrennt. Viele IT-Abteilungen kombinieren Elemente: Ein stabiler Backbone als Service Provider, flankiert von agilen Teams für Innovationen – oder eine zentrale IT, ergänzt durch produktnahe Satelliten in den Fachbereichen. Entscheidend ist nicht die Reinheit des Modells, sondern die bewusste Wahl: Was passt zu unserem Unternehmen, unseren Kunden, unserer Strategie?
Welches Geschäftsmodell passt zu meiner IT?
Ein Geschäftsmodell ist kein Baukasten, aus dem man sich beliebig bedienen kann – aber auch kein Korsett, das nur eine Form erlaubt. Vielmehr ist es ein Spiegel der strategischen Rolle, die eine IT-Abteilung im Unternehmen einnehmen soll. Dabei gibt es keine „beste“ Lösung. Es gibt nur passende Modelle – passend zur Organisation, zur Unternehmenskultur, zur Strategie, zur Historie und zu den Menschen. Dementsprechend möchten wir uns in diesem Kapitel mit der Frage beschäftigen, wie ich für meine IT das passende Geschäftsmodell herleiten kann. Wir beginnen dazu mit ein paar grundsätzlichen Fragestellungen und Gedankengängen und stellen dann abschließend mit dem Business Model Canvas ein Tool vor, das bei der Entwicklung des Geschäftsmodell für eine Organisation auch auf die IT übertragen werden kann.
Von der Reflexion zur Positionierung
Den Anfang macht immer die Bestandaufnahme, hier also die Reflexion über den Charakter der IT-Abteilung. Dabei helfen diese Leitfragen:
- Was ist unsere Hauptaufgabe? Bereitstellung von Infrastruktur? Beratung? Innovation?
- Wie viel machen wir selbst – und was kaufen wir ein? Was sind unsere Kernkompetenzen?
- Wer sind unsere Kunden – und wie nah sind wir an deren Bedarfen dran?
- Wie messen wir unseren Erfolg? Über Verfügbarkeit? Projektfortschritte? Geschäftsnutzen?
- Wie gehen wir mit begrenzten Ressourcen um? Was priorisieren wir?
Diese Überlegungen führen oft zu einem besseren Verständnis der eigenen Positionierung. Sie zeigen Spannungsfelder, Rollen, Erwartungen – und manchmal auch Widersprüche auf. Einige dieser Aspekte möchten wir gedanklich noch etwas weiter ausführen und Denkanstöße sowohl für die Reflexion der eigenen aktuellen Situation als auch für die Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells geben.
Das Selbstverständnis muss konsistent sein – intern wie extern
Ein häufiges Problem: Die IT versteht sich selbst als strategischer Partner, wird aber von den Fachbereichen nur als Dienstleister wahrgenommen. Oder sie will als Enabler auftreten, arbeitet aber mit Governance-Strukturen, die alles lähmen. Geschäftsmodell, Kultur und Verhalten müssen zusammenpassen. Daher sollte man sich an dieser Stelle zum Beispiel auch die folgenden Fragen zur Reflexion stellen:
- Wie sprechen wir intern über unsere Rolle?
- Wie erleben uns unsere internen Kunden?
- Stimmen unsere Strukturen und Prozesse mit unserem Selbstbild überein?
Zwischen Pflicht und Perspektive
Ein Geschäftsmodell schafft den Rahmen dafür, mit welchen Themen sich die IT aktiv und bewusst beschäftigen kann – und muss. Und wir reden dabei nicht nur über Patch-Management, Netzwerkinfrastruktur oder Servicekatalog. Ebenso drängen sich Themen auf, die nicht vernachlässigt werden können, weil sie zum Beispiel gesetzlich oder regulatorisch vorgeschrieben sind:
- Datenschutz (DSGVO) – Wer personenbezogene Daten verarbeitet, muss Verantwortung übernehmen – technisch, organisatorisch, kulturell.
- IT-Sicherheit und KRITIS – Der Schutz kritischer Infrastrukturen ist längst nicht mehr nur eine technische Aufgabe, sondern eine gesamtstrategische.
- KI-Verordnung (AI Act) – Mit dem zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz entstehen neue Anforderungen an Transparenz, Risikomanagement und Governance.
Dagegen sind andere Themen zwar nicht verpflichtend, aber sehr wohl überlebenswichtig – sie entscheiden darüber, ob eine IT-Abteilung nur reagiert oder mitgestaltet:
- IT-Strategie – Nicht als Dokument, sondern als gelebter Kompass, der Entscheidungen leitet.
- Künstliche Intelligenz und Automatisierung – Nicht nur als Tool, sondern als Treiber für Effizienz, neue Betriebsmodelle und Innovation.
- Architektur und Plattformdenken – Um nicht im Wildwuchs der Einzellösungen zu ersticken.
Diese Themen – ob regulatorisch erzwungen oder strategisch erforderlich – lassen sich neben den klassischen operativen Themen nicht isoliert betrachten. Sie gewinnen erst dann an Klarheit und Priorität, wenn die IT weiß, welche Rolle sie im Unternehmen spielt und welchen Beitrag sie leisten will. Ein klar definiertes Geschäftsmodell hilft dabei, genau das zu erkennen: Was ist unsere Verantwortung? Wo ist unser Wirkungsfeld? Und welche Themen gehören zu unserem Selbstverständnis – und welche nicht?
Gerade in einer Zeit, in der IT-Abteilungen immer mehr leisten sollen, ist diese Fokussierung entscheidend, um sich eben nicht im Nebel von Anforderungen, Projekten und Technologien zu verlieren.
Nicht jeder muss alles machen
Bei dieser Masse an verschiedenen und teils auch sehr unterschiedlich gearteten Themen kann es hilfreich sein, verschiedene (IT-) Einheiten mit unterschiedlichen Modellen zuzulassen – aber sie klar zu differenzieren, zum Beispiel:
- Eine zentrale IT als Orchestrator und Service Owner
- Eine produktnahe IT in den Fachbereichen als Produktteam und Enabler
- Eine Governance-Einheit für übergreifende Architektur und Sicherheit
Entscheidend ist nicht Einheitlichkeit, sondern Komplementarität – und ein klares Verständnis der Schnittstellen.
Make or Buy – Was machen wir selbst, was kaufen wir ein?
Ein zentrales Element bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells (nicht nur für die IT) ist die bewusste Entscheidung darüber, welche Leistungen überhaupt (noch) intern erbracht und welche extern bezogen werden sollen. Diese Entscheidung prägt nicht nur die operative Ausgestaltung der IT, sondern auch ihre strategische Ausrichtung.
Folgende Fragen helfen bei der Klärung:
- Was gehört zu unserem Kernauftrag – was ist Teil unseres Wertversprechens?
- Wo haben wir eigene Stärken und Kompetenzen – und wo wäre der Zukauf effizienter oder qualitativ besser?
- Welche Leistungen lassen sich standardisieren und extern einkaufen, ohne strategische Kontrolle zu verlieren?
- Wollen wir langfristig Know-how aufbauen oder sind wir mit einem flexiblen, marktgetriebenen Modell besser aufgestellt?
- Wie wirkt sich die Entscheidung auf unsere Kostenstruktur, unsere Risiken und unsere Handlungsfähigkeit aus?
Die Antworten auf diese Fragen sind nicht statisch – sie hängen vom Reifegrad der IT, vom Geschäftsmodell des Unternehmens und vom Marktumfeld ab. Umso wichtiger ist es, diesen Aspekt nicht nebenbei im Tagesgeschäft zu entscheiden, sondern bewusst im Rahmen der Geschäftsmodellentwicklung zu reflektieren.
Das Geschäftsmodell prägt die Skills – und umgekehrt
Das Geschäftsmodell der IT ist nicht nur eine strategische Entscheidung – es ist auch ein Statement darüber, welche Menschen gebraucht werden. Denn wer seine Rolle in der Organisation verändert, verändert zwangsläufig auch die Anforderungen an Kompetenzen, Profile und Karrieren. Beispiele:
- Eine IT mit starkem Technik-Fokus und Eigenbetrieb braucht tiefes Fachwissen: Systemingenieur:innen, Netzwerkspezialist:innen, Rechenzentrumsbetreiber – Expert:innen mit hohem Spezialisierungsgrad.
- Eine IT, die Dienstleistungen einkauft und orchestriert, benötigt Generalist:innen: Menschen, die technische Grundlagen verstehen, aber auch verhandeln, koordinieren, priorisieren und wirtschaftlich denken können.
- Eine produktorientierte IT, die eng mit dem Business arbeitet, braucht cross-funktionale Teams mit Skills aus Entwicklung, UX, Data Science – aber auch Domänenwissen und Agile-Kultur.
Die Konsequenz: Geschäftsmodell und Personalstrategie müssen Hand in Hand gehen. Weiterbildung, Skill-Management und Talententwicklung sind keine Randthemen, sondern strategische Hebel. Wer hier nicht mitdenkt, riskiert ein gut gemeintes Modell – das in der Praxis scheitert, weil die richtigen Menschen dafür fehlen. Wer sein Geschäftsmodell ernst nimmt, muss sich also auch fragen:
- Welche Skills haben wir – und welche fehlen uns?
- Welche Weiterbildungswege bieten wir?
- Wie verändern sich unsere Karrierepfade, wenn wir unser Modell verändern?
Und auch das gehört zur Realität: Manche Mitarbeitende werden sich in einem neuen Modell nicht (mehr) wiederfinden. Ein Geschäftsmodell ist also auch ein Personalentwicklungskonzept in Verkleidung – und sollte entsprechend verantwortungsvoll behandelt werden.
Ein passendes Geschäftsmodell zu finden heißt also: sich entscheiden – bewusst, reflektiert und auf Basis des eigenen Kontexts. Keine Blaupause von außen wird alle Antworten liefern. Aber wer die Fragen stellt, hat bereits den wichtigsten Schritt getan.
Evolution statt Revolution
Ein Geschäftsmodell zu gestalten bedeutet nicht, die IT über Nacht umzubauen. Oft ist es ein Prozess der bewussten Weiterentwicklung:
- Vielleicht startet man mit einem stabilen Service-Provider-Modell
- und ergänzt es schrittweise um agile Produktteams
- oder entwickelt aus einer Kostenstelle ein internes Profit-Center
Wichtig ist: Die Veränderungen müssen strategisch gesteuert werden – mit klarer Kommunikation, realistischen Erwartungen und Rückhalt im Top-Management.
Die IT als Geschäftsmodell mit dem Business Model Canvas denken
Die Frage nach dem Geschäftsmodell der IT-Abteilung ist nicht nur eine Frage nach Zuständigkeiten oder Organisationseinheiten – sie ist ein Instrument zur Selbstvergewisserung: Was leisten wir? Für wen? Mit welchen Mitteln? Und wozu überhaupt? Einige dieser Fragen wurden im vorangehenden Kapitel bereits gestellt. Eine Möglichkeit, diesen Fragen systematisch nachzugehen, ist der Business Model Canvas (vgl. Business Model Canvas – Download the Official Template), ein Modell aus der Unternehmenswelt, das erstaunlich gut auch auf interne IT-Organisationen übertragbar ist.
Der Canvas ist dabei horizontal in zwei Hälften geteilt:
- Links: die interne Perspektive, also alles, was mit Ressourcen, Prozessen und Infrastruktur zu tun hat.
- Rechts: die externe Perspektive, sprich Kundennutzen, Beziehungen, Kanäle und Zielgruppen.
Diese Trennung hilft, den Spannungsbogen zwischen innen und außen sichtbar zu machen – also zwischen dem, was eine Organisation leisten kann, und dem, was der Markt oder die internen Kunden brauchen.
Zudem gibt es eine vertikale Logik:
- Oben stehen die konzeptionellen Elemente: Wer ist unser Kunde? Was bieten wir an? Wie erreichen wir ihn?
- Unten stehen die operativen Grundlagen: Welche Ressourcen, Aktivitäten und Partner brauchen wir dafür – und was kostet das alles?
In der Mitte des Canvas befindet sich das Wertangebot (Value Proposition) – das Herzstück des Modells. Es verbindet intern und extern, oben und unten. Alles dreht sich darum, wie und warum die IT (bzw. das Unternehmen) einen relevanten Nutzen stiftet.
Diese visuelle Anordnung unterstützt nicht nur die Verständlichkeit, sondern auch den Denkprozess: Zusammenhänge werden sichtbar, Lücken fallen schneller auf, und es fällt leichter, strategisch zu argumentieren statt sich in Details zu verlieren. In dieser Strukturellen Anordnung besteht der Canvas aus neun Bausteinen. Sie beschreiben, wie ein Unternehmen – oder in unserem Fall: eine IT-Abteilung – Wert schafft, vermittelt und erhält. Dabei ist jeder Baustein eine Einladung zur Reflexion:
- Kundensegmente: Wer sind die Kunden der IT? Das können Fachabteilungen sein, Projektteams, Tochtergesellschaften – oder auch andere IT-Bereiche mit eigenen Schwerpunkten. Nicht jede IT-Leistung ist für alle gedacht.
- Wertangebote: Was bietet die IT an? Reine Infrastruktur? Beratung? Innovation? IT-Abteilungen müssen ihren spezifischen Beitrag klar benennen können – und wissen, worin ihr Mehrwert liegt. Das „Warum wir“ muss greifbar sein.
- Kanäle: Über welche Wege erreicht die IT ihre Kunden – und umgekehrt? Vom Self-Service-Portal bis zum persönlichen Ansprechpartner: Die Wahl der Kanäle beeinflusst Wahrnehmung und Effizienz gleichermaßen.
- Kundenbeziehungen: Wie gestaltet die IT die Zusammenarbeit mit ihren Kunden? Reaktiv oder proaktiv? Transaktional oder partnerschaftlich? Wer als Servicepartner wahrgenommen werden will, muss auch entsprechend agieren.
- Einnahmequellen: Wie wird die IT finanziert – und wie zeigt sie ihren Wert? Auch wenn keine echten Umsätze fließen: Die Frage, wie Leistungen verrechnet oder sichtbar gemacht werden, ist entscheidend für Wertschätzung und Steuerbarkeit.
- Schlüsselressourcen: Welche Ressourcen braucht die IT, um zu liefern? Technik, Tools, Prozesse – und vor allem Menschen mit passenden Kompetenzen. Je nach Geschäftsmodell sind technisches Know-how, Koordination oder Verhandlungsgeschick unterschiedlich stark gefragt.
- Schlüsselaktivitäten: Was tut die IT konkret? Der tägliche Betrieb, die Umsetzung von Projekten, Beratung, Beschaffung oder auch Innovationsarbeit – je nach Ausrichtung der IT sind manche Aktivitäten zentral, andere nachgeordnet.
- Schlüsselpartnerschaften: Mit wem arbeitet die IT zusammen? Dienstleister, Plattformanbieter, Einkauf, Datenschutz – oder andere IT-Bereiche. Die Frage ist: Was machen wir selbst, was lassen wir machen? Und warum?
Kostenstruktur: Was kostet unser Modell – und wodurch entstehen die Kosten? Ist die IT eher kosten- oder wertgetrieben? Und wie flexibel ist sie darin, sich veränderten Anforderungen anzupassen?
Der Business Model Canvas zwingt die IT, sich als Gestalter und nicht nur als Erfüller zu begreifen. Er hilft, strategische Klarheit zu gewinnen und Zielbilder zu entwickeln. Und er ist anschlussfähig – zum Beispiel, wenn andere Unternehmensbereiche mit denselben Begriffen arbeiten.
Die Anwendung des Canvas ist kein Selbstzweck. Aber sie macht sichtbar, was oft unsichtbar bleibt: die unternehmerische Logik hinter der IT.
Fazit: Geschäftsmodell denken heißt IT strategisch führen
Die Frage nach dem Geschäftsmodell einer IT-Abteilung ist keine methodische Spielerei – sie ist ein Gradmesser für die strategische Reife. Wer ein Geschäftsmodell hat, weiß, für wen er arbeitet, was er leistet und warum das für die Organisation wertvoll ist. Wer keins hat, läuft Gefahr, schleichend immer weiter ersetzt zu werden – durch externe Anbieter, Schatten-IT oder einfach durch Relevanzverlust.
Dabei geht es nicht um Labels wie „Service Provider“ oder „Profit Center“. Es geht um Haltung, Klarheit und Konsequenz. Eine IT, die sich nicht über ihr Geschäftsmodell definiert, bleibt im operativen Nebel – selbst, wenn sie hochprofessionell arbeitet. Eine IT hingegen, die weiß, wie sie Wert schafft und welchen Beitrag sie zur Unternehmensstrategie leistet, kann mehr sein als nur Technik: Sie wird zum Möglichmacher, Gestalter, Partner.
Und das ist letztlich die entscheidende Frage: Will die IT geführt werden – oder will sie mitführen?
